Nachrichtenarchiv der Gemeinde Driedorf

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Im Zweifel können Sie sich gerne an die Gemeindeverwaltung wenden.

Auswirkungen des demografischen Wandels

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

die Gemeindevertretung hat in der der letzten Sitzung einem Antrag der SPD Fraktion einstimmig zugestimmt, der sich mit dem Thema des demografischen Wandels befasste. Inhalt des Antrages war, dass die Gemeindevertretung über die ermittelten Zensusdaten informiert wird und diese Daten in Bezug auf den demografischen Wandel auf die Gemeinde Driedorf aufzuarbeiten sind.
Der Antrag hat mich als Bürgermeister dazu bewogen diese Informationen allen Bürgerinnen und Bürgern der Gemeinde Driedorf über das Mitteilungsblatt der Gemeinde bereitzustellen, denn es ist mir persönlich sehr wichtig, dass die Bürger in den Dialog über das zukünftige Zusammenleben in der Kommune einbezogen und zur Mitgestaltung aufgerufen werden. Die demografischen Veränderungen aller Kommunen in Richtung »weniger, bunter, älter« werden nur dann nicht als Synonym für Bedrohung gewertet, wenn in einem breit angelegten Bürgerdialog Gestaltungschancen entstehen, die einen Rückhalt in der Bevölkerung haben. Die notwendigen Instrumente haben wir über das „Projekt Driedorf 2025“ geschaffen. In diesem Zusammenhang möchte ich nochmals zur aktiven Mitarbeit in den jeweiligen Arbeitsgruppen aufrufen und sie bitten, sich aktiv in die Zukunftsgestaltung unserer lebens- und liebenswerten Gemeinde Driedorf mit einzubringen.

In den nächsten Ausgaben des Mitteilungsblattes werden sowohl die Zensusdaten dargestellt als auch deren Auswirkungen auf den demografischen Wandel beschrieben.
Damit möchte ich als Bürgermeister zum einen Aufklärungsarbeit leisten und zum anderen einen Beitrag zum aktiven Zusammenleben in unserer Gemeinde Driedorf einbringen.
Durch das aktive Einbeziehen der Bürgerinnen und Bürger soll nicht allein das Verständnis von kommunalen Zusammenhängen gefördert werden, sondern es soll auch die Umsetzung von politischen Entscheidungen erleichtert werden und dadurch das praktische Engagement vor Ort weiter belebt werden. Damit kommt zusammen, was für lokale Zukunftspolitik mehr denn je gefragt ist.

In der aktuellen Ausgabe wird anhand ausgewählter Texte (u.a. Bertelsmann Stiftung, Friedrich Ebert Stiftung) zunächst grundlegend dargestellt, was der demografische Wandel für die zukünftigen Entscheidungen in  einer Kommune mit sich bringt.

1. Problemskizze: Kommunen im demografischen Wandel

Die Zukunft war schon immer neu – und dennoch stellt der demografische Wandel Städte und Gemeinden vor ganz neuartige Herausforderungen und fordert vielerorts auch eine andere Kommunalpolitik als bisher.

Was bedeutet der demografische Wandel?

Der demografische Wandel beschreibt folgenreiche Veränderungen in Deutschlands Bevölkerungsstruktur. Die Lebenserwartung ist in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich angestiegen, so dass wir und kommende Generationen im Durchschnitt zunehmend länger leben und damit älter werden als die vorangehenden.

Zugleich gehen die Geburtenzahlen in Deutschland stetig zurück:
Immer weniger Kinder werden geboren, so dass auf lange Sicht auch weniger Menschen in Deutschland leben. Deutschlandweit reicht schon seit Jahrzehnten die durchschnittliche Kinderzahl für eine zahlenmäßige Bestandserhaltung der Bevölkerung trotz gestiegener Lebenserwartung nicht aus.

Auch Zu- und Abwanderung verändern zunehmend die Zusammensetzung der Bevölkerung in Städten und Gemeinden vor Ort: Schon jetzt wandern viele, vor allem junge und gut ausgebildete Menschen aus strukturschwachen Gebieten ab auf der Suche nach Arbeit und Zukunftsperspektiven in Städte und Ballungsräume. Dadurch sinkt die Bevölkerung zahlenmäßig in den betroffenen Regionen noch einmal und zurück bleibt oft der ältere Teil der Bevölkerung. Der andauernde wirtschaftliche Strukturwandel verstärkt damit die Entleerung vieler Landstriche in Deutschland. Wirtschaftlich prosperierende Städte und Ballungsräume vor allem im Westen und Süden Deutschlands verzeichnen dagegen noch in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren einen Bevölkerungszuwachs, zu dem neben dem Zuzug junger Familien und Wanderungsgewinnen innerhalb der Bundesrepublik auch die Zuwanderung von Menschen mit Migrationshintergrund beiträgt, wie die aktuellsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes belegen. Langfristig werden aber auch in den Gebieten, die derzeit noch ein Bevölkerungswachstum verzeichnen, die Einwohnerzahlen sinken: Auch dort wird die Bevölkerung durch sinkende Geburtenzahlen weniger, so dass langfristig überall immer weniger Kindern und jungen Menschen eine wachsende Zahl älterer Menschen gegenüber stehen, die Alterspyramide kehrt sich ins Gegenteil um.

Diese Veränderungen bedeuten:
Wir werden vielerorts deutlich weniger und überall älter. Bei einer durchschnittlich noch leicht schrumpfenden Gesamtbevölkerung nimmt jetzt schon laut dem Statistischen Bundesamt die Zahl der über 65-Jährigen jährlich um rund 500 000 zu. Die Bevölkerung im Rentenalter wächst Jahr um Jahr um eine Großstadt von der Einwohnerzahl Dresdens oder Nürnbergs. Wir werden aber auch bunter, was Herkunft und Lebensentwürfe betrifft und darin liegen durchaus Zukunftschancen, die es zu nutzen gilt.

Der demografische Wandel umfasst nach einer Definition von BÄHR (Professor für Stadt- und Bevölkerungsgeographie in Kiel) die Änderung einer Bevölkerung in ihrer Zahl und Struktur. Diese Änderungen sind primär von der Bevölkerungsstruktur eines Gebietes abhängig. Einfach messbare Variablen des Veränderungsvorganges sind Geburten und Sterbefälle sowie Zu- und Wegzüge in einem Betrachtungszeitraum. Der demografische Wandel umfasst insgesamt vier Komponenten, die vereinfacht mit folgenden Schlagwörtern charakterisiert werden können:

  • Weniger (Bevölkerungsrückgang)
  • Grauer (Alterung)
  • Bunter (Quantitative Zunahme der Bevölkerung mit Migrationshintergrund)
  • Vereinzelter (Veränderung in den Formen des Zusammenlebens)

Diese kurze definitorische Abgrenzung zeigt, dass es sich beim demografischen Wandel nicht um ein Phänomen der jüngeren Vergangenheit handelt – derartige Prozesse realisieren sich seit Anbeginn der Menschheit.

Der demografische Wandel stellt eine große Herausforderung für Politik, Verwaltung, Wirtschaft und jeden Einzelnen unserer Gesellschaft dar. Umso wichtiger ist es, diese Herausforderung anzugehen.
Der demografische Wandel wird politisches Handeln auf Bundes-, Landes- und gerade auf kommunaler Ebene in den nächsten Jahrzehnten maßgeblich bestimmen.
Auf Bundesebene müssen die sozialen Sicherungssysteme reformiert werden: Mit dem demografischen Wandel sinkt die Zahl derer, die aktiv erwerbstätig sind und Beiträge in die Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung einzahlen. Zugleich steigt die Zahl derjenigen, die Leistungen der Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung in Anspruch nehmen. Entweder werden die steigenden Ausgaben für Versorgungsleistungen einer größeren Zahl älterer Menschen auf die immer weniger werdenden sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigen verteilt – die dann jeweils mehr Beiträge leisten müssen – oder es müssen andere Wege gefunden werden, die Versorgung im Krankheits- und Pflegefall sowie die Versorgung im Alter zu sichern. Die Diskussion über private Vorsorge, zusätzliche Steuerfinanzierung und andere Handlungsansätze wird bereits öffentlich geführt.

Richtet sich der Blick jedoch auf die kommunale Ebene, so wird schnell ersichtlich, dass sich der demografische Wandel nicht nur auf die Veränderung der Alterszusammensetzung, sondern auf die Veränderung der gesamten Bevölkerungsstruktur bezieht. Diese Dynamik zeigt sich nicht nur im öffentlichen Leben, sondern insbesondere bei der Inanspruchnahme kommunaler Einrichtungen und Dienstleistungsangebote, wie der Kinderbetreuung, der Schulen, dem ÖPNV und nicht zuletzt bei dem Angebot für Senioren und Hochbetagte.

Über die lokalen Auswirkungen des demografischen Wandels für Städte und Gemeinden wird allerdings noch nicht im gleichen Ausmaß diskutiert, wie über die Bundes- und Landespolitischen Auswirkungen. Hier besteht Handlungsbedarf, über die Entwicklungen aufzuklären und Verständnis für nötige Veränderungen zu schaffen, was mit dem vorliegenden Beitrag und den folgenden Beiträgen geschehen soll.

Beschäftigt man sich mit den jeweiligen Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung in Städten und Gemeinden in Deutschland, wird schnell deutlich, dass die jeweiligen Perspektiven und Problemlagen unterschiedlicher nicht sein könnten.

Bevölkerungsvorausberechungen der Bertelsmann- Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Institut für Entwicklungsplanung und Strukturforschung an der Universität Hannover  für Kommunen mit mehr als 5 000 Einwohnern zeigen, dass rund ein Drittel der Gemeinden mit deutlichen Verlusten an Einwohnern rechnen muss, für ein weiteres Drittel noch klare Gewinne erwartet werden und das restliche Drittel stagniert (siehe dazu auch die Ausführungen unter www.bertelsmann-stiftung.de).

Aktuell bilden insbesondere die wirtschaftlich prosperierenden Regionen Baden-Württembergs und Bayerns die Wachstumsregionen aufgrund von Geburtenüberschüssen und Wanderungsgewinnen.

Auch viele ländliche Räume werden innerhalb der nächsten 30 Jahre stark vom demografischen Wandel betroffen sein: z. B. Nord-Hessen oder Nord-Thüringen.

Zwei Entwicklungstrends werden deutlich:

Erstens:
Bundesweit betrachtet zeichnet sich eine Entleerung vieler Landstriche in den ostdeutschen Bundesländern sowie den strukturschwachen ehemaligen Industrieregionen im Westen (Ruhrgebiet) ab.

Zweitens:
Es zeichnet sich eine Entleerung des ländlichen Raums gegenüber Städten und regionalen Zentren ab. Letztendlich entscheiden die Nähe zu den wirtschaftlich starken Zentren und die Standortqualitäten, zu denen auch ein gutes Bildungs- und Arbeitsplatzangebot zählen, über Wachstum oder Schrumpfen.

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